andine Hochkulturen

andine Hochkulturen
 
die vorkolumbischen Kulturen an der Westseite Südamerikas, die durch die spanischen Eroberungen zerstört wurden. Reste davon finden sich in der heutigen Volkskultur. Die bedeutendsten und am besten erforschten Kulturen entstanden im Gebiet der mittleren Anden (Peru, Bolivien), älteste Spuren sind aus dem 20. Jahrtausend v. Chr. erhalten. Von dort breiteten sich Kunststile und Techniken süd- und nordwärts aus. Im nordandinen Raum erreichten die Kulturen (außer in der Metalltechnik) nicht die gleiche Höhe, sie verharrten etwa auf einem Stand, der dem der späten vorklassischen Periode in den Zentralanden entspricht; das Gleiche gilt für die Kulturen im Gebiet von Nordwestargentinien (Diaguita) und Chile.
 
Die Kulturen des andinen Bereichs lassen sich weniger als in Mesoamerika einem bekannten Volk oder Stamm zuordnen; vielmehr wird anhand der Ausbreitung einzelner Kunststile auf regionale, ethnisch nicht unbedingt fassbare Kulturen und deren Einflussbereich geschlossen. Die Erforschung begann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Schriftliche Quellen aus der Zeit vor der Eroberung gibt es nicht; erst aus der Eroberungszeit liegen Berichte über die Chimú und die Inkaherrschaft vor. Bauwerke, Steinskulpturen sowie reiche Grabfunde (Keramik, Textilien) sind die Zeugnisse der andinen Hochkulturen.
 
Kulturpflanzen lassen sich im mittelandinen Hochland (Ayacucho) seit etwa 6000 v. Chr. nachweisen. Die ältesten Keramikfunde (Puerto Hormiga in Nordkolumbien, Valdivia an der Küste Ecuadors) werden auf etwa 4100 v. Chr. datiert. - Als erste der andinen Hochkulturen dehnte sich die Chavínkultur (um 1000-300 v. Chr.) überregional aus, vermutlich auf der Grundlage eines gemeinsamen Kults (Verehrung einer Jaguargottheit). Etwa zur gleichen Zeit begann die Bearbeitung von Metallen. Kunst und handwerkliche Fähigkeiten erreichten ihren Höhepunkt in der klassischen Periode (bis 600 n. Chr.), in der Moche- und in der Nazcakultur sowie in Tiahuanaco. In der nachklassischen Zeit entstanden straff gegliederte Reiche, so das Königreich der Chimú und das Reich der Inka, die von Cuzco aus in nur 100 Jahren (1438-1532) das Gebiet aller anderen Kulturen zwischen Südkolumbien und Nordchile unterwarfen und es in ihr Imperium, das einzige des vorkolumbischen Amerika, eingliederten.
 
Basis der Wirtschaft war der Feldbau (ohne Pflug). In den Küstentälern wurde Oasenfeldbau mit Bewässerung betrieben (Bohnen, Mais, Kürbis). In den Tälern und Becken des Hochgebirges wurde die Anbaufläche durch Terrassierung der Berghänge erweitert. Mais und Kartoffeln waren den unterschiedlichen Höhenzonen durch Züchtung zahlreicher Sorten angepasst. Als Haustiere wurden Alpaka (Wolle), Lama (Wolle, Fleisch; auch als Lasttiere), Meerschweinchen (Fleisch) und Hund gehalten; als Fleischlieferanten spielten Wildtiere die größere Rolle; Milchprodukte waren unbekannt. Da es Rad und Wagen nicht gab, wurden Haustiere nicht als Zugtiere verwendet. Ein gut ausgebautes Straßennetz (eine Hauptstrecke in den Anden 5 200 km, eine an der Küste rd. 4 000 km lang) errichteten die Inka.
 
Die Bauten waren dem Siedlungsraum angepasst. An der Küste wurden die Gebäude aus Lehmziegeln (Adobe) errichtet. Ab etwa 100 n. Chr. entwickelten sich religiöse Zentren mit größeren Pyramiden- und Tempelbauten (z. B. Moche im Norden) sowie stadtähnliche Gemeinwesen (z. B. Cahuachi zur Nazcazeit im Süden), bedingt durch Bevölkerungskonzentration, eine bereits stark geschichtete Gesellschaft und hohe Machtentfaltung. Ab etwa 1000 n. Chr. nahm die Entwicklung zur Stadtkultur einen großen Aufschwung (z. B. Chan Chan, Hauptstadt des Chimúreiches mit 18 km2 Fläche). Im Hochland wurden die Häuser aus Stein errichtet, die zeitliche Entwicklung einzelner Ortschaften zu religiösen und weltlichen Zentren und Städten war der der Küste ähnlich (z. B. Tiahuanaco, Cuzco). Zur Inkazeit wurden im Hochland Befestigungsanlagen aus Stein errichtet (Sacsayhuamán, Machu Picchu).
 
Steinplastiken
 
kultureller Bedeutung wurden in den frühen Perioden hergestellt (San Agustín, Chavín), ferner in Tiahuanaco, Huari, im Tafítal (Nordargentinien); seit etwa 200 n. Chr. entwickelte sich eine reiche Bauplastik (v. a. Reliefs).
 
Die Herstellung von Keramik (ohne Töpferscheibe, zum Teil mit Modeln) erreichte Höhepunkte in den Kulturen von Nazca (vielfarbige Bemalung, polierte Oberfläche), Moche (zweifarbig bemalte Gefäße, die oft realistischen Szenen aus dem Alltag und Porträts darstellen), Tiahuanaco (vielfarbig, glänzend poliert); Glas war unbekannt.
 
 
(Gold, Silber, Kupfer, in Ecuador auch Platin; außerdem Legierungen: Bronze, Tumbaga besonders in Kolumbien) wurden meist zu Schmuck verarbeitet (Treiben, Hämmern, Gießen). Bronze wurde bei den Inka auch für Waffen verwendet, Eisen war unbekannt. Hervorragende Goldarbeiten gab es in den Kulturen von Chavín, Quimbaya, Chimú, Muisca.
 
 
aus Baumwolle und Wolle erreichten in Nazca und Paracas den Höhepunkt, in Nazca mit der höchsten Anzahl von Farbschattierungen (Ikat) und Textiltechniken, die je auf der Erde verwendet wurden. Federn, meist von tropischen Vögeln aus den Wäldern im Osten, verzierten prächtige Umhänge, Kronen und Schilde (Huari, Inka).
 
 
findet sich auf Felsbildern, an den Wänden der monumentalen Grabkammern von Tierradentro sowie auf Textilien und Keramik, hervorragende realistische Darstellungen aus dem Alltagsleben besonders auf den Gefäßen der Mochekultur; Scharrbilder im Gebiet von Nazca.
 
Eine Schrift scheint nicht bekannt gewesen zu sein; Hypothesen, dass die Inkaornamentik als Schriftzeichen zu deuten sei, haben sich noch nicht erhärtet. Knotenschnüre (Quipu) dienten wohl als Gedächtnishilfen.
 
Die Bedeutung der andinen Hochkulturen liegt einerseits in ihrer handwerklich-künstlerischen Leistung (Keramik, Textilkunst), andererseits in ihrer Fähigkeit der staatlichen Organisation, wie sie sich in der Vorinkazeit in den Küstengebieten (bei Terrassierung, Bewässerung), v. a. aber im Inkareich zeigte; dessen Verwaltungsaufbau diente noch den Spaniern als Grundlage ihres südamerikanischen Kolonialreiches.
 
 
H. Nachtigall: Indianerkunst der Nord-Anden (1961);
 J. A. Mason: Das alte Peru (a. d. Amerikan., 1965);
 H. Trimborn: Alte Hochkulturen Südamerikas, in: Die Kulturen Alt-Amerikas, hg. v. H. Trimborn: u. W. Haberland (1969);
 H. D. Disselhoff: Das Imperium der Inka u. die indian. Frühkulturen der Andenländer (Neuaufl. 1974);
 H. D. Disselhoff: Leben im alten Peru (21981);
 
Advances in Andean archaeology, hg. v. D. L. Bowman (Den Haag 1978);
 
El Dorado, der Traum vom Gold, hg. v. W. Bray (a. d. Engl., 1979);
 
Alte Kulturen der Neuen Welt, hg. v. R. Pörtner u. N. Davies (1980);
 
Peru durch die Jahrtausende. Kunst u. Kultur im Lande der Inka (1984).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Inkareich: Die Herrschaft der Sonne
 
Altamerika: Lebens- und Kulturräume
 
altamerikanische Kulturen: Ihre Entwicklung
 

Universal-Lexikon. 2012.

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